Sie leben ohne echte Zukunftsperspektive mitten im Nirgendwo von Süd- oder Mittelamerika. Ihre Mütter haben sie oft schon vor Jahren in der vagen Hoffnung verlassen müssen, in der Fremde ein bisschen Geld für ihre Familien aufzutreiben, ihren Kindern wenigstens eine minimale Chance zu bieten, wenn sie wieder zurück sind – dereinst einmal. Doch ihre Kinder fühlen sich im Stich gelassen und wollen ihren Müttern folgen. Die Jugendlichen, die sich hier so mutig ihrem Schicksal entgegenstemmen, sind oft kaum mehr als Kinder. Sie brechen mit wenig Geld auf in eine ungewisse, nicht selten düstere Zukunft. Sie schlagen sich durch mörderische Urwälder, sie durchqueren glühheiße Wüsten. Sie reisen zu Fuß oder auf den Dächern von Güterzügen und haben kaum mehr dabei als das, was sie auf dem Leibe tragen. Unterwegs werden sie dann noch bestohlen, von Banditen oder korrupten Polizisten ausgeraubt und verprügelt. Für Mädchen besteht zudem noch die Gefahr, von skrupellosen Verbrechern in die Prostitution gezwungen zu werden.
Ihr Ziel ist Nordamerika, wo ihre Träume dann in der Schattenwirtschaft oder in der Kriminalität zerplatzen, denn der große Amerikanische Traum, er gilt nicht für sie, für Menschen ohne Bildungsabschlüsse und Papiere.
Es ist das Verdienst von Dirk Reinhardt, mit seiner Lesung auf das Schicksal dieser Jugendlichen aufmerksam gemacht zu haben, denn das Material, das er zu seinem spannenden Roman verarbeitet hat, beruht auf den oben angerissenen Tatsachen. Sie wurden in Mexiko unter hohem persönlichen Risiko recherchiert, schließlich wollen die mexikanischen Behörden nicht, dass ihre Verbrechen ruchbar werden. Dort hat er viel Zeit mit jenen Jugendlichen verbracht, deren Geschichte er in seinem Roman ausbreitet. Er hat sich ihre Lebensschicksale erzählen lassen, aber auch mit geistlichen oder weltlichen Hilfsorganisationen gesprochen, die unter schwierigen Bedingungen versuchen, die ärgste Not dieser jungen Menschen zu lindern, die nicht nur Hilfe verdienen, sondern auch unsere Bewunderung für ihre enorme Leistung. Es ist nämlich zweifelhaft, ob jemand von uns Wohlstandsverwöhnten eine solche Fahrt lebend überstehen würde.
Darüber hinaus stellt sich für mich die Frage, ob nicht gerade solchen Menschen, die buchstäblich alles wagen, um ihr Ziel zu erreichen, eine echte Chance geboten werden sollte, im Westen oder in ihren Heimatländern, denn diese können es sich eigentlich nicht erlauben, auf die Leistungsfähigen zu verzichten. kie